Entsprechend habe sie noch nie so lange Titeldiskussionen mit dem Verlag führen müssen wie bei „Deutsch, nicht dumpf. Ein Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“, berichtet Thea Dorn in der sehr gut gefüllten EG-Aula. Und sie bekennt: „Der Titel hat Aspekte von Murks. Aber es ist notwendiger Murks.“ Denn mit dem Zusatz „nicht dumpf“ und dem Verweis auf die Aufklärung wollte sie gleich im Ansatz jeder Befürchtung entgegentreten, dies könne ideologisches Futter für die Neue Rechte sein.
Und davon ist die klug und differenziert argumentierende Abhandlung tatsächlich sehr weit entfernt. Thea Dorn liest im weiteren Verlauf des Abends auch einige Passagen aus dem Buch. Vor allem aber unterhält sie sich mit Moderator und Veranstaltungsinitiator Professor Jürgen Overhoff, selbst ein ausgewiesener Experte für aufgeklärten Patriotismus (siehe Kasten), über ihre Motivation, ihr viel diskutiertes Buch zu schreiben, und die darin vertretenen Ideen. Und das ist trotz des schwierigen Themas nicht nur geistig anregend, sondern oft sogar ausgesprochen launig und unterhaltsam.
Die Konfrontation mit ihrem eigenen Deutschsein in New Hampshire – das Thea Dorns amerikanischer Kollege unter anderem an ihrer Begeisterung für Mülltrennung und das Organisieren von Wanderungen festgemacht hatte –, fand ihren Niederschlag zunächst in „Die deutsche Seele“ (2011). Einer zusammen mit Richard Wagner (der heißt wirklich so) verfassten Inventarisierung typisch deutscher Phänomene, von „Abendbrot“ bis „Zerrissenheit“.
„Deutsch, nicht dumpf“, ist eine Art Fortsetzung. Doch das neue Buch ist deutlich politischer und entstanden als Reaktion auf eine nicht nur von Dorn als äußerst bedrohlich empfundenen gesellschaftlichen Spaltung. Zum konkreten Anlass wurden zwei Äußerungen aus dem Jahr 2017. Zunächst hatte die SPD-Politikerin und damalige Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoˇguz, erklärt, dass „eine spezifisch deutsche Kultur (…), jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar“ sei. Was Dorn nicht nur für groben Unfug hielt, sondern auch für ein fatales Signal für alle neu Hinzugekommenen. Denn wie integriert man jemanden in ein kulturelles Niemandsland?
„Noch viel schlimmer“ fand die Schriftstellerin allerdings die AfD-Reaktion, namentlich Alexander Gaulands im Wahlkampf ausgestoßene Herrenmenschen-Fantasie, Özoˇguz „in Anatolien (zu) entsorgen“. „Wenn wir die Radikalisierung zulassen und nicht versuchen, einen vernünftigen Mittelweg zu finden, geraten wir in gefährliche Gewässer“, sagt Dorn.
„Deutsch, nicht dumpf“ beschreibt die Suche nach diesem Mittelweg, der das Heterogene der pluralistischen Gesellschaft mit Menschen unterschiedlichster Herkünfte, Lebensmodelle und sexueller Identitäten begrüßt und trotzdem auf einen gemeinsamen Nenner nicht verzichten will. Der Individualität und Solidarität nicht gegeneinander ausspielt, sondern miteinander versöhnt. Das gegen jede nationalistische Überhitzung in Stellung gebrachte Konzept des Verfassungspatriotismus ist für Dorn eine wichtige Grundlage, aus ihrer Sicht aber nicht ausreichend, weil zu kalt und technokratisch. Ergänzen will sie ihn daher durch einen von allem Chauvinismus befreiten Kulturpatriotismus.
Anknüpfungspunkte und Vordenker findet die Autorin nicht zuletzt bei heute zum Teil längst vergessenen Autoren der Aufklärung wie Christian Samuel Ludwig von Beyer und Wilhelm Abraham Teller, die schon damals Patriotismus und Kosmopolitismus zusammendachten. Von einigen dieser Autoren habe auch er vor der Lektüre ihres Buches nie etwas gehört, räumt der im 18. Jahrhundert bestens bewanderte Jürgen Overhoff ein.
Aber auch bei späteren Denkern wird Dorn fündig. Etwa bei Ralf Dahrendorf, einem der großen Liberalen des 20. Jahrhunderts, mit dem sie das Bekenntnis zum „heterogenen Nationalstaat“ teilt. Denn der Nationalstaat bleibt für die Autorin das einzige Gesellschaftsmodell, dem es gelungen sei, „einen verlässlichen Rahmen für Menschen- und Bürgerrechte zu bieten“. Was für Thea Dorn freilich kein Hindernis für ein leidenschaftliches Bekenntnis zu Europa ist.
In diesem heterogenen Nationalstaat, so Dorns feste Überzeugung, muss jeder „mitmachen“ können, egal, ob seine kulturellen Wurzeln in Deutschland oder etwa in Syrien liegen. Damit das funktionieren kann, müsse, betont sie mit Verweis auf Wilhelm Abraham Teller, zweierlei gewährleistet sein: Das Land müsse die Neuankömmlinge mit offenem Herzen empfangen. Und diese müssten sich ebenso offen auf die neue Heimat einlassen. Dann aber, so Dorn, sei sie sehr optimistisch, dass auch jemand mit einer völlig anderen Herkunft in dieser Kultur Wurzeln schlagen könne.
„Der Titel ist mehr als eine Marke“
Das Revolutionsjahr 1848 ist das Geburtsjahr des Patriot. Damit steht die Zeitung in derselben Tradition des aufgeklärten Patriotismus, auf die sich auch Thea Dorn in ihrem Buch „Deutsch, nicht dumpf“ bezieht. Ein Zeitungsname wie jeder andere ist „Der Patriot“ trotzdem nicht. Gerade in Zeiten von Pegida und Co. würden wieder vermehrt Fragen, „oder vielmehr versteckte Bitten, ob wir unseren Namen denn nicht ändern könnten“, an ihn herangetragen, erklärte Patriot-Verleger Christoph Barnstorf-Laumanns in seiner Begrüßung zur Lesung von Thea Dorn in der EG-Aula. Er habe das aber ebenso wie seine Vorgänger nie ernsthaft in Erwägung gezogen. „Der Titel ist mehr als eine Marke, er ist unser Erbe und wir tragen eine Verantwortung, ihn zu erhalten und auch zu verteidigen. Nicht nur, aber auch, damit der Titel nicht von rechts außen vereinnahmt wird.“ Zur Begriffsklärung erschien im Juni 2015 der Artikel „Was ist patriotisch? Über einen umstrittenen Begriff der politischen Gegenwart“ von Professor Jürgen Overhoff, dem bis Juli 2018 die Serie „Patriotische Gedanken“ folgte. Dass es dem Lippstädter Historiker gelungen sei, Thea Dorn nach Lippstadt zu holen, um mit ihr über ihr Patriotismus-Buch zu sprechen, sei ein gelungener Abschluss der Reihe, freute sich der Patriot-Verleger.
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