In eigener Sache: Warnstreik schränkt lokale Berichterstattung massiv ein

von Redaktion am 16. Juli 2025 12:16 Uhr Lippstadt -  Lesezeit 4 min

Kreis Soest – Ein Großteil der Redakteurinnen und Redakteure des Patriot hat an diesem Mittwoch ab 0 Uhr für 72 Stunden die Arbeit niedergelegt. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und die Deutsche Journalisten Union (DJU in Verdi) hatten im Vorfeld zum Warnstreik aufgerufen. Dieser dauert beim Patriot bis Freitagnacht, 23.59 Uhr, an.

Grund sind die festgefahrenen Tarifverhandlungen. Der DJV und die DJU fordern für die Mitarbeitenden der Redaktionen 10,5 bzw. zwölf Prozent mehr Geld, die Arbeitgeber bieten aktuell im Rahmen eines so genannten „Kurzläufers“ zunächst mal pauschal 100 Euro Lohnzuwachs pro Monat über einen Zeitraum von 15 Monaten. Zuvor waren die Verhandlungen Anfang Juni kurz vor einer Einigung unter anderem wegen struktureller Fragen im Manteltarifvertrag, etwa zum Urlaubsgeld und zur Eingruppierung neuer Mitarbeiter, gescheitert. Die Parteien schienen sich damals auf eine Tariferhöhung von durchschnittlich 8,6 Prozent über knapp zweieinhalb Jahre verständigt zu haben, die aus Einmalzahlungen und prozentualen Erhöhungen in verschiedenen Stufen bestehen sollte. Zu einem Tarifabschluss kam es aber nicht. Dazu gab es von den Parteien unterschiedliche Darstellungen.

Die überregionale Berichterstattung im Patriot ist vom Warnstreik nicht betroffen. Erhebliche Einschränkungen wird es aber bis ins Wochenende und die Montagsausgabe hinein bei der lokalen Berichterstattung geben. Betroffen sind sowohl die Redaktionsinhalte im digitalen als auch im gedruckten Bereich unserer Zeitung.

Im Folgenden lesen Sie einen Beitrag in eigener Sache unseres Betriebsrates und Redaktionsmitglieds Stefan Niggenaber:

++++ In eigener Sache ++++

Von Stefan Niggenaber (Betriebsrat)

Zwischen Zeitungsliebe und Existenzdruck 

Die Redaktion streikt, der Verlag warnt – beim Patriot prallen berechtigte Ansprüche auf harte Realitäten

Wer aktuell zum Patriot oder zur Geseker Zeitung greift, merkt es: Etwas fehlt. Weniger Lokales, dünnere Ausgaben, eingereichte Texte, wo sonst sorgfältige Recherchen stehen. Der Grund: Die Redaktion streikt, der Großteil ist „draußen“ – und das nicht leichtfertig. Im Gegenteil: Diejenigen, die gerade auf der Straße sind, sind dieselben, die sonst mit Hingabe für das berichten, was den Altkreis Lippstadt bewegt. Und genau das ist das Dilemma. Denn gestreikt wird nicht gegen das Produkt – sondern für seine Zukunft. Für die Bedingungen, unter denen es überhaupt noch entstehen kann. Der Verlag definiert das natürlich etwas anders; und ist seinerseits mit seinen ganz eigenen Herausforderungen konfrontiert. Liebe Leser, kommen sie mal kurz mit ins Spannungsfeld, in dem wir uns befinden. Aber Vorsicht: schmaler Grat voraus. 

Zwei Seiten, ein Dilemma 

Auf der einen Seite: eine Redaktion, die massive Reallohnverluste hinnehmen muss, während Arbeitsbelastung und Komplexität zunehmen. Volontärinnen starten bei rund 2200 Euro brutto, Redakteure mit Berufserfahrung sehen vielfach kaum noch Gehaltszuwächse. Die Folge: Der Beruf verliert an Attraktivität – und damit irgendwann auch an Nachwuchs. Auf der anderen Seite: ein regionaler Verlag, der mit dem Rücken zur Wand wirtschaftet. Print verliert Leser und Werbekunden, Digital bringt noch nicht genug ein. Gleichzeitig steigen Zustellkosten, Papierpreise, Löhne. Die Stückkosten steigen, Spielräume sind eng. Der Patriot steht – wie viele lokale Verlage – zwischen Notwendigkeit und Machbarkeit. Dabei wollen wir alle nur eines: Unsere Leser auch künftig verlässlich und bezahlbar mit lokalen Nachrichten versorgen. 

Tarifkonflikt mit Tiefenwirkung 

Der Streik in Lippstadt ist Teil eines bundesweiten Tarifkonflikts. Verhandelt wird ein neuer Vertrag für Zeitungsredaktionen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert 10,5 Prozent mehr Gehalt, die Deutsche Journalisten-Union in Verdi (dju) 12 Prozent. Die Verleger bieten deutlich weniger – und wollten und wollen grundsätzlich auch an die Struktur gehen: deutlich flachere Lohnanstiege, weniger Urlaubsgeld für Neueinsteiger, weniger Anerkennung für Berufsjahre außerhalb von Zeitungsverlagen. In Teilen liegen diese Forderungen noch auf dem Tisch. Das erzeugt Frust. Die Redaktion fühlt sich entwertet. Der Verlag verweist auf wirtschaftliche Realitäten. Beide Seiten stehen unter Druck – und beide werben um Verständnis. 

Zwischen Haltung und Haushalt 

Die Streikenden betonen: Sie legen nicht aus Trotz die Arbeit nieder, sondern schweren Herzens. Niemand bestreikt gern das eigene Produkt. Aber wer die Zeitung liebt, muss auch dafür kämpfen dürfen, unter fairen Bedingungen arbeiten zu können. Der Verlag wiederum warnt vor zu hohen Abschlüssen, die mittelständische Häuser in ihrer Existenz gefährden könnten. Was als „gerecht“ empfunden wird, muss auch bezahlbar bleiben – sonst droht der Kahlschlag in der Fläche. 

Und die Leser? 

Sie spüren die Folgen direkt: Weniger Umfang, verschobene Artikel, Lücken im gewohnten Angebot. Das sorgt für Unmut – aber auch für Nachdenklichkeit. Beide Seiten hoffen, dass ihre Sichtweise verstanden wird. Denn das, was hier verhandelt wird, betrifft nicht nur Arbeitsverträge, sondern den Alltag in der Region: Wie lebendig bleibt der Lokaljournalismus? Wer kann ihn noch leisten? Und unter welchen Bedingungen? Der nächste bundesweite Verhandlungstermin steht am Freitag, 18. Juli, in Hamburg an. Ob es dann eine Annäherung gibt, ist offen. Die Verhandlungen gelten, Stand heute, als zunehmend festgefahren. Klar ist nur: Der Konflikt ist echt – und ernst. Und auch wenn Redakteure und Verlag auf unterschiedlichen Seiten stehen, kämpfen sie im Kern für dasselbe: Dass es diese Zeitung auch morgen noch gibt. Und dass sie gut bleibt.